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Vierter Sonntag nach Erscheinung (2. Februar 2003) Mt. 8:23-27.

„Was seid ihr furchtsam, ihr Kleingläubigen?“ Dies sagt Jesus zu seinen Jüngern im heutigen Evangelium. Jedes Wort des Evangeliums muss verstanden werden im Zusammenhang mit der gesamten Heiligen Schrift. Die Jünger befinden sich in einem Boot mit Christus und ein Sturm zieht auf (ein Ereignis, das auch in kleineren Seen Boote zum Kentern bringen kann). Nach Matthäus, Lukas und Johannes geschieht dies, nachdem Christus bereits mehrere Wunder gewirkt hat, nach Hieronymus vier, mindestens aber das von Kanaa und die Heilung des Aussätzigen.

Zu Kanaa verwandelt Jesus Wasser – und noch dazu beachtliche Mengen desselben – in Wein, mit dem Aussätzigen macht er eine Krankheit rückgängig, die bis in das zwanzigste Jahrhundert völlig unheilbar war. Auch heute sind bereits entstandene Zerstörungen endgültig, wenn man von plastischer Chirurgie, die ja eine Reparatur von aussen darstellt, absieht. Nie wird es dem Menschen oder einem Engel möglich sein, aus Wasser Wein herzustellen. Der alte Witz über unehrliche Winzer ändert nichts an der Unmöglichkeit aus Wasser mit einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen eine Flüssigkeit herzustellen, über die die moderne Chemie immer noch diskutiert, ob sie jetzt 400 oder 600 Substanzen, geschweige denn welche(!) enthält. Beide Wunder erfordern also jene Macht, die alleine Gott selbst hat, die wahre Schöpferkraft. Die Jünger wussten nichts über Lepra im Frühstadium oder ihre T-Form, L-Form und B-Typ und sie wussten nichts über H2O als Wasser und CH3CH2OH, jenen Äthyl-Alkohol, über den Mohammedaner, Alkoholiker und Protestanten so besorgt sein müssen; Umsomehr wussten sie aber noch von der Unmöglichkeit der beiden Ereignisse ohne ein direktes Eingreifen Gottes. Obwohl also ihr Glaube nicht nur auf Vertrauen, sondern auch auf Tatsachen beruhte, beherrschte sie sofort die Furcht angesichts des Unwetters und sie wähnten sich verloren. Der Der Wein ohne ein Wort aus Wasser entstehen lassen kann und zerstörerische Krankheiten in fortgeschrittenem Stadium heilt, wird die Jünger und Sich Selbst mit dem Boot untergehen lassen? Die Jünger folgen Ihm, was damals ein sehr viel mutigerer Akt war als heute, aber in der ersten Gefahr verlässt sie ihr Mut.

In diesem Sinne ist die Frage Christi als eine ernste Zurechtweisung zu verstehen.

Aber ist es nicht eine völlig normale menschliche Reaktion, in einem „von Fluten überschütteten“ Boot und der damit auch für gute Schwimmer drohenden Lebensgefahr, die nüchterne Überlegung der Vergangenheit und der eigenen Erlebnisse ob der Panik zu vergessen? Beweisen die Jünger nicht ihren Glauben an den Herrn, indem sie statt irgendwelcher individuellen Aktionen („Rette sich wer kann!“) oder dem Ausrichten des Bootes gegen die Wellen, einer Weisheit, so alt wie die Seefahrt, Ihn aufwecken und um Hilfe bitten? Wären sie einfach sitzen geblieben und hätten nichts getan und sich nur gedacht: „Wir werden ja sehen, ob Er wirklich der Gesandte Gottes ist“, hätte das nicht gehiessen, Gott zu versuchen?

Der Vorwurf Jesu kann nicht alleine der menschlichen Panikreaktion, schon gar nicht dem doch bewiesenen Glauben und noch viel weniger dem Vermeiden der Versuchung Gottes und der Anmassung gelten. Wieder geben andere Stellen des Evangeliums die Antwort, vor allem die dem heutigen Evangelium vorangegangene Bergpredigt: „Sorget nicht für euer Leben“ (Mt. 6:25) und die spätere Aufforderung, nicht vor dem Tod des Leibes, sondern der Seele zu fürchten (Mt. 10:28). Christus will mehr als nur den Glauben an Ihn, Er will bedingungsloses Vetrauen. Dieser Wunsch trifft uns, denn dass wir an sich an Ihn glauben, daran wird ja hoffentlich kein Zweifel bestehen, aber ertappen wir uns nicht immer wieder bei wirklich besorgten Fragen um unser leibliches Wohl oder andere Belange des irdischen Lebens? Nur der Narr oder der Hochmütige glaubt, er hätte schon seit Stunden oder Tagen oder gar Wochen nicht mehr gesündigt. Wahrscheinlich sind die meisten Sünden gedanklich und nicht schwer, aber der berühmte Spruch im Beichtstuhl: „Das sind alle meine Sünden“ ist sicher nie wahr. Christus weiss eben das, was selbst unter Priestern so sehr verloren gegangen ist, nämlich um die Bedeutung der correctio fraterna, der brüderlichen Zurechtweisung, die, wenn sie aus Liebe kommt, nicht nur Irrtümer, sondern auch Sünden aufzeigt, was ja viel wichtiger ist. So scheint der Herr eigentlich zu sagen: „Ihr Kleingläubige, Ihr glaubt an mich, aber nur solange Ihr keine Sorgen habt“ (vgl. Mt. 6:19-34). Dürfen wir daher kein Festtagsmenü mehr planen? Doch, aber alles in Proportion: „Suchet vor allem das Reich Gottes und seine Vollendung“ (Mt. 6:33).

Wie noch ein anderes Mal auszuführen sein wird, so ist auch das Wunder im heutigen Evangelium eine Vorbereitung auf noch grössere: Heute gebietet Er Wind und Wasser, kurz danach den Dämonen (Mt. 8:28-32) und schliesslich am dritten Tage nach Seinem Tod der gesamten Schöpfung durch Seine Auferstehung, die Er mit dem Zeichen des Propheten Jonas verbindet: „Wie nämlich Jonas einst drei Tage und drei Nächte im Bauche des Seetieres war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ (Mt. 12:40).

Diese Verbindung mit Jonas entschlüsselt auch die ungeheure Bedeutung des letzten Satzes aus dem heutigen Evangelium: „Da staunten die Leute und sprachen: Was ist das für einer? Ihm gehorchen ja die Winde und das Meer.“

Auch Jonas schläft im Schiff, während sich ein Sturm erhebt. Er wird als der an dem Sturm Schuldige erkannt (weil er vor dem Herrn geflohen war) und über Bord geworfen, worauf sich das Meer beruhigt und die Überlebendem dem Herrn Opfer bringen (Jon. 1). Daraufhin bleibt Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauche des „Fisches“ (Jon. 2:1), bevor er schliesslich Ninive bekehrt (siehe auch Mt. 12:41).

Matthäus sagt: „Da staunten die Leute,“ nicht die Jünger oder die noch zukünftigen Apostel, wie Hieronymus sagt, „sondern die Seeleute und die übrigen“ (Lib. 1, Comm. in Cap. 8 Matth.) denn die Geschichte von Jonas im Wal kannte fast jeder. Sie wussten von ihren Lehrern und Priestern, dass Gott den Sturm auf das Meer geworfen und sich wieder legen hat lassen. Im Gegensatz zu modernen Exegeten, die nur an sich glauben, waren nicht nur die Leute, sondern vor allem die Pharisäer und Schriftgelehrten von der Wahrheit im Buch Jonas überzeugt. Und die letzteren sind auch das wichtigste Ziel des heutigen Ereignisses: Es wäre falsch und auch lästerlich zu vermuten, Christus hätte im Vorhinein nicht über den Sturm gewusst. Schläft Er also nur ein, um den „Leuten“ zeigen zu können, dass Er die Winde und das Meer beherrscht. Nein, die Kernfrage wird von Matthäus zitiert: „Qualis est hic?“ – „Was ist das für Einer?“ Es ist ausgeschlossen, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten von dem Ereignis nie hörten. Sie kannten aber die Schrift, und die Parallele zu Jonas musste ihnen sehr rasch aufgefallen sein. Wirklich dumm war wahrscheinlich keiner von ihnen, und ihre Ausbildung musste ihnen klar machen, Wer Alleine die Winde und das Meer beherrschen kann. Gott liebt alle Menschen, sogar Pharisäer und Schriftgelehrte, und Er gab ihnen ausreichendes Zeugnis für die Wahrheit Christi, nicht nur hier, sondern viel öfter. Sie hätten Ihn als Erste erkennen müssen. Die meisten von ihnen erkannten Ihn und lehnten Ihn ab, einige mögen nicht genug nachgedacht haben. Im letzteren liegt auch für uns die Versuchung. Wir müssen nachdenken, immer demütig und in Unterwerfung unter die Ewige Wahrheit, aber nachdenken. Wer Gott liebt, muss über Ihn nachdenken!

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