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Septuagesima (12. Februar 2006) Mt. 20:1-16.

Die Gewerkschaft, der das heutige Evangelium gefällt, gibt es nicht, das hat aber auch sein Gutes, denn durch Rerum Novarum von Leo XIII. ist seit Pius X. die Verweigerung des gerechten Arbeitslohnes eine himmelschreiende Sünde. Die Dummheit, Gutmütigkeit oder gar Notlage eines anderen Menschen auszunützen, um seine Arbeit billiger zu bekommen, ist ein grausames Laster, dem man nicht nur in der modernen Wirtschaftswelt, sondern seit Jahrhunderten auch schon in der Kirche begegnet, wo so mancher verdiente Lohn unter Hinweis auf Opferbereitschaft und Berufung nicht ausbezahlt wird. Das ist und bleibt an sich böse, im letzteren Falle doppeltermassen so.

Davon kann das Evangelium nicht handeln, denn Christus ist gar nicht fähig, gegen die Gerechtigkeit zu predigen. Es geht offensichtlich um etwas anderes. Worum?

Zunächst einmal ist es höchst verständlich, dass die Arbeiter im Weinberg, die sich seit Sonnenaufgang abmühten, etwas konsterniert sind angesichts der Tatsache, dass die nicht einmal eine Stunde zu tun hatten, genau den gleichen Lohn bekommen. Das wirkt ungerecht, aber man vergisst hier immer wieder – im löblichen Eifer, den Herrn „nicht schlecht dastehen zu lassen“ – dass schon der heilige Chrysostomus warnt: „Man soll nicht an allem, was die Parabeln enthalten, Wort für Wort kleinlich herumdeuteln, sondern den Zielgedanken der Parabel erforschen und das herauspflücken.“

Völlig falsch wäre es, aus diesem Gleichnis zu schliessen, dass im Himmel allen derselbe Lohn zuteil wird, was nämlich dem Evangelium direkt widerspräche (z.B. Mt. 5:12,19; 10:41-42; 19:28; 20:23). Man hat geglaubt, in einem Denar das Symbol der himmlischen Herrlichkeit sehen zu müssen, was aber ein bei Christus unüblicher Vergleich wäre. Man darf nie den Kontext aus den Augen lassen, im Gegenteil, allzuviele Stellen der heiligen Schrift erhalten ihren Sinn NUR im Kontext.

Was ist nun der Zielgedanke des Gleichnisses: Am Schluss des Tages ruft der Herr die Arbeiter. Matthäus deutet darauf hin, dass ausgerechnet die zuletzt Gekommenen den Lohn als erste ausbezahlt bekommen. Auf diese Weise aber sehen die scheinbar Benachteiligten der Morgenstunde die Grosszügigkeit des Herrn. Man vergisst ja, dass die Arbeiter der Morgenstunde mit dem Angebot des einen Denars einverstanden waren und die zuletzt Gekommenen sich ja nicht vor der Arbeit gedrückt hatten, sondern noch keine gefunden hatten. Die ersten hatten also Glück, weil sie gleich genommen worden waren, den Letzten will der Herr nicht weniger geben, denn nur weil sie Pech hatten, werden weder ihre Miete, noch ihre Lebenskosten, noch ihre Kinder weniger.

Weiterhin, wie der Herr selber sagt, ist ER der Herr und kann zahlen, was ER will, solange es nicht zu wenig ist, zweitens ist die Reaktion der Ersten nicht aus der Gerechtigkeit: Wären sie die Letzten gewesen, hätten sie sicher fest geschwiegen, um sich den Vorteil nicht zu verscherzen. Ihre Reaktion ist also aus dem Neid.

Drittens sagt der Herr ja: „Oder ist dein Auge böse, weil ich GUT bin?“ Das ist eine kristallklare Ausage über den eigentlichen Sinn des Evangeliums. Es ist nicht ein Evangelium der Lohntarife, sondern ein Evangelium der Gnade. Gratia ist das Stammwort für „gratis“ und gratitudo (Dankbarkeit), sowie gratificatio (Dankbarmachung, die nichts mit der Weihnachtsgratifikation zu tun hat, die entweder ausbezahlt wird, oder......!!!). Wirkliche Gnade ist das Geschenk eines Souveräns. Der Akt der Begnadigung durch einen demokratisch gewählten Politiker ist normalerweise ein politischer Winkelzug, um bestimmte Wählergruppen, z.B. irregeleitete Skrupulanten einer geschwisterlichen Kirche nicht vor den Kopf zu stossen. Die Begnadigung durch einen absoluten Monarchen, und das ist Gott im absoluten Sinne, ist ein Akt der Barmherzigkeit, also der Liebe, vor allem aber ist er völlig frei! Souverän!

Weiterhin sieht man aus der eher lässigen Art, in der der Herr, fast müssig, über den Marktplatz schreitet und ruft: „Ach, geht doch auch mal in meinen Weinberg,“ dass er die Arbeiter gar nicht so sehr benötigt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er keinen Müssiggang sehen will und erst zufrieden ist, wenn ALLE einen Denar nach Hause tragen. Die Beschäftigung an sich ist also schon eine Gnade. Der Mensch in seiner Selbstherrlichkeit gefällt sich in dem Ausspruch: „Nun, ich habe ja auch etwas geleistet!“ NEIN! Schon die Aufforderung, die Bitte, das Angebot zur Arbeit ist Gnade.

OHNE MICH KÖNNT IHR NICHTS TUN!

Wir haben unsere Verdienste, aber auch sie sind Gnade. Bei Gott ist hier nicht der geringste Widerspruch. Das will der Mensch oft nicht verstehen. Man klagt die Fürsten von einst an, dass sie so und so viel Bedienstete hatten. Aber – normalerweise – verdienten diese ach so armen Lakaien mehr für viel weniger Arbeit als der durchschnittliche Bauer. Ging es dem Fürsten wirklich so viel besser? Weltlich gesehen, normalerweise schon, aber in Bezug auf die Ewigkeit? War der Fürst nicht tausendmal mehr Versuchungen ausgesetzt als der Lakai?

Neid ist ohne jegliche Ausnahme dumm.

Gottes Absolutheit kennt keine Benachteiligung – ein Mangel an Gutem, und in Gott unmöglich – sondern nur Bevorzugung, die Bevorzugung Seiner Mutter über alle Sterblichen, die Bevorzugung des Johannes über alle Apostel, die Bevorzugung der Apostel über die Jünger über die Gläubigen über die Heiden. Im Himmel werden keine zwei Personen gleich sein, jeder wird ein verschieden grosses Weinglas in der Hand halten, ... aber... ES WIRD IMMER VOLL SEIN!

Wir sehen, dass nicht Paulus der Erfinder der Gnadenlehre ist, sondern – wie anders? – Christus. Die absolute Einfachheit Gottes ist eben nicht ein Nichts, wie in diesem dummen Buddhismus, sondern ein ALLES. Der, Der Alles ist, also einfach IST, wie kann ich IHM was erzählen?

Wir geben unsere Liebe, weil wir etwas brauchen, nämlich Liebe. Gott benötigt gar nichts, und alles, was Er gibt, gibt ER aus absoluter Liebe. In tiefster Demut müssen wir endlich einmal alle Gedanken an unsere angeblichen Leistungen vergessen und uns vor Dem hinwerfen, der uns auch noch in der letzten Stunde Hoffnung gibt. Nur müssen wir, wie die Arbeiter auf dem Marktplatz, statt zu resignieren, offen bleiben, nie das NEIN vorbereitet haben. Selbst ein Napoleon ist mit den Sakramenten gestorben. Der sicherlich im sechsten Gebot nicht übermässig treue John Wayne ist mit den Sakramenten gestorben, und hat nicht die Gottesmutter ein unvergleichliches Geschenk gegeben mit den fünf Sühnesamstagen? Nur wer Gottes Barmherzigkeit verweigert, oder sie schamlos ausnützt, wird ihrer nicht teilhaben.

Eines kann man sicher sagen: Wir alle werden uns beim Jüngsten Gericht sehr wundern. Da haben wir das persönliche Gericht schon hinter uns und wissen, wo wir enden werden, aber bleiben wir jetzt – einfachheitshalber – bei denen, die es geschafft haben: da werden die Modernisten, die die Hölle für sehr leer halten, eine bitterböse Überraschung erleben und die Traditionalisten, die den Himmel für unterbevölkert halten, werden eine ungeheuer gute Überraschung erleben – vollkommen unverdient. Alle aber werden aus dem Staunen nicht herauskommen – in alle Ewigkeit – wenn sie sehen, WAS bei Gott die Identität von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bedeutet! KYRIE ELEISON.

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