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Achter Sonntag nach Pfingsten (3. August 2003) Lk. 16:1-9.

Das heutige Evangelium wird manchmal nicht verstanden, weil der Herr einen ungerechten Verwalter lobt. Dabei übersieht man, dass Er seine Klugheit hervorhebt, die Tugend prudentia, was wortwörtlich – von providere stammend – als vorausschauende Umsicht gesehen werden muss. Mit der prudentia handelt der Mensch nicht aus dem Impuls heraus, auch nicht aus einer festgefahrenen egoistischen Einstellung, sondern unter objektiver Abwägung der Wirkung seines Handelns auf die Zukunft. Dies ist die recta ratio agendi, die richtige Vernunft des Handelns. Christus bezieht sich keineswegs nur auf die eingegossene und daher vom Gnadenstand abhängige Kardinaltugend der prudentia, sondern auf die Klugheit im allgemeinen, nicht aber auf die Schlauheit, die meistens nur Karikatur der Klugheit ist.

Viele Rigoristen und Moralisten stossen sich an diesem Evangelium, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass der Diebstahl des Verwalters nicht Gegenstand des Gleichnisses ist!

Dies ist einfach zu verstehen, warum aber schreibt Christus diese Tugend den Kindern dieser Welt zu und nicht denen des Lichtes, die doch aus dem Gnadenstand sich der eingegossenen Tugenden erfreuen?

Weil dem nicht immer so ist.

Verstehen wir das endlich einmal richtig! Gratia praesupponit naturam, sagt Thomas, die Gnade setzt die Natur voraus und: gratia non tollit naturam, die Gnade nimmt die Natur auch nicht weg, obwohl nach der Beurteilung der klerikalen Praxis viele Obere daran zu glauben scheinen. Wenn jemand strohdumm ist, bekommt er auch mit der Beförderung nicht mehr Weisheit. Der grosse heilige Pfarrer von Ars erhielt mit seiner Priesterweihe auch nicht mehr Intelligenz. Seine Liebe war so gross, dass ihm Gott die ausserordentliche Gnade der Seelenschau – gratia gratis data – zuteil werden liess, womit er der berühmteste Beichtvater seiner Zeit wurde. Eine ausserordentliche Gnade über der Standesgnade der Priesterweihe vorauszusetzen, wäre allerdings krasse Vermessenheit. So verhält es sich auch mit der Klugheit.

Gerade die Kinder des Lichtes neigen oft zur jener Form der Selbstgefälligkeit, dass sie vermeinen, mit der sakramentalen Gnade alles zu erhalten, während die Kinder der Welt, die sehr oft das Übernatürliche leugnen, auch in ihrem eigenen Bewusstsein von ihren natürlichen Begabungen abhängig sind. Manchmal giesst dann der Klerus Öl in das Feuer der weltlichen Skeptiker und Wasser in die Asche der selbstgefälligen Katholiken mit der Aufforderung, „sich nicht den Kopf zu zerbrechen, sondern einfach zu glauben.“ Indem so mancher Priester die natürlichen Begabungen der Gläubigen abzuschalten versucht, oft um in seiner eigenen Ignoranz nicht durch kluge Fragen entlarvt zu werden, stösst er seine Schafe, die Kinder des Lichtes, weiter in ihre unkluge Weltfremdheit hinein und überzeugt durch Abschreckung den aussenstehenden Skeptiker, das Kind der Welt, noch mehr von seinen eigenen natürlichen Begabungen.

Tragisch wird dieser Mangel an Klugheit, wenn ein Familienvater vor lauter Beten und Betrachten seinen Beruf und damit seine Familie vernachlässigt. Ihm fehlt das Beispiel des hl. Thomas Morus: Er schwieg und flüchtete, solange es ging, erst als der König ihn zum Meineid zwingen wollte, empfahl er seine Familie Gott und ging in sein Martyrium. Sir Thomas More vermied einen weiteren Fehler vieler Katholiken, nämlichen den Egoismus vom irdischen Gut in das himmlische zu verschieben, ohne sich um das Schicksal anderer zu kümmern. Damit wird das Kind des Lichtes schlechter als das Kind der Welt, das ja die sakramentale Gnade nicht hat.

Auf diese Erörterung der Klugheit folgt der Aufruf: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie euch, wenn euer Ende kommt, in die ewigen Wohnungen aufnehmen.“ Mammon, eigentlich mamon, ist das was man in seinen Besitz gebracht hat, also nicht bloss Geld, sondern jegliches Gut. Ungerecht ist der mamon generell, wenn es sich um Vermögen handelt, das aus einer unrechten Handlung selbst stammt, wie im Falle des Diebstahls und Raubes. Dass auch ein Robin Hood nicht gerechtfertigt wäre, hat schon Augustinus festgestellt. Relativ ungerecht ist der mamon, wenn man die ungerechte Verteilung selbst legitimer Güter auf dieser Welt bedenkt, denn auch hier muss man das Wort iniquitas besser verstehen: Ungleichheit, Irregularität, böses Vorurteil, Einseitigkeit, etc. Iniquus ist der mamon daher auch, wenn man seine Hoffnung daran hängt oder durch ihn in Versuchung gebracht wird. Ganz offensichtlich bezieht sich Christi Aufforderung auf letztere Form des mamon iniquitatis, aber warum? Sagt er nicht: „Sorget nicht für euer Leben“ (Mt. 6:25)? Warum sollen wir uns Freunde mit dem mamon machen, damit, wenn „es zu Ende geht“ wer uns wann in „die ewigen Tabernakel“ aufnimmt? Sehen wir uns den garantiert authentischen Text der Vulgata an: „Et ego vobis dico: facite vobis amicos de mammona iniquitatis: ut, cum defeceritis, recipiant vos in aeterna tabernacula.“ Cum defericits heisst nicht „wenn es zu Ende geht,“ sondern „wenn euch etwas mangelt.“ Das nämlich sagt Christus und meint eindeutig die Vorsorge, die materielle der Weisen und die moralische der Heiligen: die prudentia sanctorum. Gerade die Heiligen wissen, dass sie von der Barmherzigkeit Gottes abhängig sind und statt sich in der Selbstgerechtigkeit zu täuschen, tun sie Gutes für die eigene Seele. Sie sorgen moralisch vor, wie eben Eltern materiell für ihre Kinder sorgen müssen und „erkaufen“ sich den Himmel.

Mit den „ewigen Tabernakeln“ bricht Christus aus dem Gleichnis aus. Sprach Er bisher von der natürlichen Tugend der Klugheit, so schliesst Er jetzt mit der übernatürlichen. Dieser Ausbruch ist kein Einzelfall: Im Gleichnis spricht Christus über natürliche Verhältnisse und Vorgänge, dann bricht Er aus und spricht klar (palam loqui), meist über das Himmelreich (Cf. Mt.13, etc.). So ist es auch hier.

Die Vorsorge, die prudentia sanctorum, ist das Predigtobjekt des heutigen Evangeliums, dem Paradegleichnis gegen die Pietisten, denen eine vor allem äusserliche Frömmigkeit über die Heiligkeit geht. Ohne das Gebet kann natürlich niemand Christ sein, aber nur zu beten ist auch nicht sinnvoll. Mit dem Gebet müssen wir Gott preisen, ihm danken und dürfen Ihn um etwas bitten, genau in dieser Reihenfolge und Ordnung. Aber vergessen wir das Denken nicht! Die prudentia, die recta ratio agendi, ist die richtige Vernunft des Handelns, nicht recta precatio agendi! Der Verwalter erkennt, dass er in Gefahr ist, alles zu verlieren, aber er wirft sich nicht auf die Knie, sondern denkt nach. Das lobt Christus und das will Er, denn der Schöpfer hat uns nicht mit Intelligenz ausgestattet, damit wir damit nur Gebete auswendig lernen. Wir müssen unser Gehirn benützen für die erstrebenswerten Objekte der Vorsorge, im übernatürlichen wie im natürlichen: Est quaestus magnus pietas cum sufficientia (1Tim 6:6-12). Das heisst weder: „Frömmigkeit, verbunden mit Genügsamkeit ist ein grosser Gewinn“ (Schott), noch: „Ja, die Frömmigkeit ist eine gute Quelle des Erwerbes, dann, wenn sie mit Genügsamkeit verbunden ist“ (Riessler-Storr). O Graus! Die sufficientia ist nicht die Genügsamkeit, sondern der Zustand, in dem man alles Nötige hat (Cf. Summa Theologiae, I, q.26, a.1, 1m; I-II, q. 3, a.2, 2m; etc), also eine Art Wohlstand, aber nicht Reichtum. Dies sind die Ziele der prudentia.

Beten alleine reicht nicht, wir müssen nachdenken!

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